Page 58 - schau-rein 2019-03
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  58 UKrulnasutbKLUESLETRURAUF WERBUNG
... Dilettant?
 ... „grundsätzlich ein total stiller Mensch” ist. Auch merkt er, dass sein Lampenfie- ber, das ihn schon lange begleitet, „mit zunehmendem Alter statt weniger, im- mer mehr wird.”
Kaum zu glauben, denn auf der Bühne, wie voriges Jahr im Freiraum, als er sich einen Herzenswunsch, „dem Singen mit einer Big Band” erfüllte, wirkt er wie ein alter Profi, routiniert und erfahren.
„Bin mein ganzes Leben unsicher”, glaubt der eingefleischte und glühende St. Pölt- ner, „immer, wenn ich ein Projekt oder eine Idee habe und die vorantreibe, taucht ein Gegenpol auf, der mich unsi- cher macht.”
Eine eigentlich postive Eigenschaft, das kritische Hinterfragen täte vielen Men- schen gut. Sandhacker, der sein ganzes Leben der Kultur und Kunst widmet, hat aber in Richtung Kulturhauptstadt auch konkrete Pläne. „Ein verbindendes
Radwegenetz wäre ja sicher relativ einfach umzusetzen. Immer hören die Radwege ir- gendwo plötzlich auf.” Da würde er sich mehr Umsetzungskraft bei den Verantwortlichen wünschen, denn für eine potentielle euro- päische Kulturhaupt- stadt wäre dies gerade in einer Zeit, in der viele Städte Autos im- mer mehr vom Zen- trum fernhalten, ein unbedingt notwendi- ges Projekt. Um das zu erkennen, bräuchte man beileibe kein Narr oder weitblickender Visionär zu sein.
Gegen falsche Mythen
Intendantin Marie Rötzer - hier mit Julia Engelmayer und Olivia Khalil - stellt ihre vierte Spielzeit gegen gesellschaftspaltende Tendenzen.
 Gesellschaftskritisch engagiert geht In- tendantin Marie Rötzer mit ihrem Team in ihre vierte Spielzeit. So setzt sie auch in der nächsten Saison auf starke Stücke. Die Auslastung der Spielzeit 2018/19 gibt ihr Recht, denn mit rund 89 % erreichte die Zahl der Besucher*innen den höchs- ten Stand seit der Gründung des Landes- theaters NÖ im Jahr 2005. Fast ein Vier- tel, 23 %, hat ein Abo, insgesamt 42.000 Besucher*innen sind neuer Rekord.
Mit einer selten gespielten Komödie von Friedrich Schiller, „Der Parasit” beginnt man im Herbst, danach folgt Shakes- peares „Hamlet”. Die „Italienische Nacht” von Ödon von Horvath wird ebenso ge- geben wie „Figaros Hochzeit (Aber nicht die Oper!)”. Der Hochstapler Felix Krull wird adaptiert von Nestroy-Preisträger
Felix Hafner und Mi- roslav Krležas „Chris- toph Kolumbus” erfährt eine österrei- chische Erstauffüh- rung. Für die Jüngeren gibt es „Die dumme Augustine”, den „Ge- stiefelten Kater” und den Hesse-Klassiker ‚Demian” für das Klas- senzimmer.
Gastspiele von Phi- lipp Hochmair und der Elektrohand Got- tes oder von Nikolaus Habjan mit Franui und einiges mehr runden das tolle Programm ab.
Kulturell
betrachtet
Leuchtturmprojekt, ja oder nein?
Kürzlich führte mich mit meiner Gattin Christa eine Reise ins slowenische Maribor, das sich vor Jahren bei der europäischen Kulturhauptstadt-Werdung für 2012 auch gegen die Hauptstadt Ljubljana (Laibach) erfolgreich durchsetzte. Nach stolzer Vergangenheit während der österreichisch-ungarischen Monarchie, nicht nur als wichtiger Bahnhof entlang der Strecke Wien-Triest, in Vergessenheit geraten, versuchte sich die Stadt an der Drava (Drau) wieder als pulsierende und kulturell aktive Stadt.
Das gelang ohne Zweifel im Jahre 2012, als man aus der Not eine Tugend machte - wegen der Wirtschafts- krise wurde die Hälfte des anberaumten Budgets von 40 Millionen gestrichen - und mit verschiedenen in- novativen Projekten, in denen man u.a. auch Minder- heiten wie die Roma miteinbezog, eine partizipative Aufwertung des Stadtkerns erreicht. Viele Galerien und künstlerische, manifestierte Aussagen hielten Einzug in die Innenstadt.
Jahre später präsentiert sich Maribor zwar als durch- aus erlebenswerte, weil an innovativen Lokalen rei- cher gewordene Stadt, aber von der Kulturhauptstadt ist für die Besucher*innen wenig übriggeblieben.
Und da sind wir auch schon beim Thema Kulturhaupt- stadt 2024. St. Pölten hat viel vor, im Bidbook zur Bewerbung ist neben des voraussichtlichen Neubaus eines „KinderKunstLabors“ auch eine Liste von In- standhaltungs- und -setzungsmaßnahmen beim Fest- spielhaus, des Klangturmes und des Stadtmuseums, oder auch von der Neugestaltung des Domplatzes
die Rede. Dinge, die bis auf das Erste ohnehin der Aufgabe einer funktionierenden Stadt-Land-Partner- schaft geschuldet sind. Dass der Sonnenpark und die ehemalige Synagoge aufgewertet werden sollen, sind indes sehr positive Fakta.
Partizipation und Gedankenwelten, die den Geist eines gemeinschaftlichen Europas verinnerlichen und öffentlich machen, sind sicher unabdingbar, ebenso die Miteinbeziehung heimischer Kulturschaffender oder der mannigfaltigen Bildungseinrichtungen.
Aber ein haptisches, noch nach Jahren, auch für das Mehr an Tourist*innen erlebbares Raum-Objekt-Pro- jekt, könnte ein weit in die Zukunft hinausreichendes Zeichen sein. Es müssen keine Murinsel wie in Graz, oder gar Bauwerke wie Riesenrad oder Eiffelturm, die an vergangene Weltausstellungen erinnern, sein. Aber ein Projekt, das nach vielen Jahren auch be- spielbar und erlebbar ist, für Neugierde sorgt, eines, das sowohl Einheimischen als auch interessierten Fremden die Notwendigkeit einer Auseinanderset- zung oder des Genießens aufdrängt, wäre durchaus wünschenswert.
   Foto: Franziska Liehl
Foto: Christa Reichebner Andreas Reichebner










































































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