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8 Thema 68-er
WERBUNG
... von St. Pölten”, erregte 1968die Öffentlichkeit!
Die 60-er Jahre lassen grüßen: musik diamettral gegenübersteht. „Die
Willi Lechner mit dem Outfit von Patres der Franziskanerkirche waren
der Carnaby Street in London höchst aufgeschlossen und stellten ihr
und auf der Reise durch Indien. Kellergewölbe, das nur mit Stroman-
schluss und dürftiger Beleuchtung ausge-
stattet war, für Veranstaltungen zur Ver-
fügung”, erzählt Ed Knappl, der mit der
Band „He & his Problems“ mit Wolfgang
Blaha als Mastermind an der Rhythmus-
gitarre und Gesang, Herbert Till an der
Sologitarre, Joachim Samwald on drums
und himself zu den Vorreitern der Mu-
sikszene in St. Pölten, neben Bands wie
den „Lost Generation” um Rüdiger Deix,
den „Malformation” mit dem späteren
... alle verhaftet. Dem Deix haben dort im Marquee Club Mu- Musikmanager Albin Wegerbauer, und
sie mit dem Gummiknüppel dabei sogar siker wie Alexis Korner, Eric Clapton und „EXP” um Ernest A. Kienzl, der danach
die Hand gebrochen”, weiß Lechner über John Mayall sehen und hören”, ruft sich gemeinsam mit Hermann Fischl die „St.
die Macht der Staatsgewalt zu erzählen. der damals Unangepasste, der auch mit Pöltner Restwochen” alternative Kulture-
seinem Freund Chico in Paris Kontakt vents, organisierte, zählte.
Allein das Aussehen reichte, mit den Studentendemos hatte, in Erin- Vorher musste aber nicht nur die Über-
um beschimpft zu werden nerung. „Im Bezirk St. Michelle war da reste des Krieges und der diktatorischen
Es gab aber auch mit der „normalen” Be- ganz schön etwas los.” Dort rebellierten Strukturen in den Köpfen der Menschen
völkerung viele Konflikte. Schon das Aus- Student*innen gerade gegen das Etablish- weggeräumt werden, sondern auch der
sehen reichte. Sätze, wie „Die Mama soll ment. haptische Müll. „Wir haben den Kriegs-
dir die Haare schneiden” und „Da kommt Als er dann auch noch nach Indien auf- schutt vom Franziskanerkeller ausge-
der Reservechristus” waren dabei noch das brach, schrieb sogar der Platzhirsch am St. räumt und danach unseren Center of
Harmloseste. „Wir haben uns dann aber Pöltner Zeitungsmarkt: „Der Gammler- Beat Club gegründet, an den Samstagen
auch bei Raufereien gewehrt, im Faust- könig unterwegs in Richtung Indien”. In gab es immer Konzerte”, denkt Willi
kampf war ich dann nicht so schlecht”, sechs Monaten brauchte der Willi 5.000 Lechner trotzdem gerne an diese Zeit
schmunzelt Lechner, wenn er daran denkt, Schilling, das entspricht ungefähr 363 zurück.
mit welcher gesellschaftlichen Ablehnung Euro, „mit 10 Dollar bin ich zurückge-
er und seine Freund*innen zu tun hatten. kommen.” Gab nicht viele Möglichkeiten,
Denn Willi Lechner war einer der ersten seine Freizeit zu verbringen
der Szene, ein „cooler Hund”, wie ihn Ed Den Aufbruch Obwohl es nicht allzu viele Angebote gab,
Knappl, auch im damaligen St. Pöltner gelebt seine Freizeit zu gestalten. „Kino gehen,
„Revolutionsgeschehen” hautnah In der Ar- Eis kaufen und in der Kremsergasse stun-
mit dabei, nennt. b e i t e r - denlang auf- und abmarschieren, Lokale
„Ich bin 1966 per Autostopp s t a d t wo wir uns aufhalten durften, waren der
nach London gefahren, wollte fiel man Fedrizzi in der Wiener Straße, das Cafe
natürlich Pittner im Hotel und das Cafe Mikesa am
„extrem Rathausplatz”, schildert Lechner. Im Cafe
auf, meine Mikesa, das im Hinterzimmer mit einer
Mama hat sehr Musik-Box ausgestattet war, gab es den
viel mitgemacht, legendären Ober Franz, „mit dem sind
mein Papa hat das eher wir gut ausgekommen.”
toleriert. Aber wir ha- Die sogenannten „Fünf Uhr Tee” Kon-
ben das Aufbegehren, zerte - mit dabei auch „The Roots“ rund
gegen restriktive Obrig- um Ausnahmemusiker Helmut Scherner
keiten gelebt, im Kopf, -, vorerst im Franziskanerkeller, dann im
mit den Gedanken und Parkkino und in den Stadtsälen lockten
mit unserem Äußeren.” die revoltierenden Jugendlichen an, auch
Doch nicht alle sind ge- in der Kugelgasse, „einer alten Künstler-
gen die jungen St. Pölt- klause mit zwielichtigen Gestalten” gab
ner Revoluzzer*innen, es Musik abseits der schlagerdominierten
die sich besonders über Populärmusik.
„He & his Problems” mit Ed Knappl (ovales Bild) waren in den Musik definieren, die Ansonsten setzte man sich aufs Fahrrad
60-er Jahren dabei, als es galt den Franzsikanerkeller vom Kriegs- den vorherrschenden und fuhr etwa auf die Ruine Hohenegg, Fotos: zVg
schutt zu befreien, um dort Konzerte abzuhalten. Schlager- und Volks- „einmal mit einer Stange Wurst vom