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50  Kunst KULTUR
               WERBUNG
       ... darum singe!                                          Kulturell



                                                                 betrachtet


                                                                 Kreativer                                         Andreas Reichebner
                                                                 Prozess als
                                                                 gesellschaftlicher Wert
                                                                 Im Kulturteil dieser Ausgabe ist eine Ge-
                                              Mit viel Freude und   schichte über eine schulische Theatergruppe, die ihr
                                              Engagement sind    30-jähriges Bestehen feiert, zu lesen. Nichts Besonderes
                                              SchülerInnen aus   würde man meinen, da tanzen und schaupielern halt ein
                                              den unterschiedlichs-  paar Jugendliche herum und ihre Eltern und Anverwand-
                                              ten Kulturen bei den   ten schauen dann der Produktionsaufführung zu.   Foto: Christa Reichebner
                                              Aufführungen der   Mitnichten, lassen wir einmal flapsige Vorurteile, die
                                              „Nordlichter” dabei.  haargenau ins Bild der wiederkehrenden Informations-
                                                                 oberflächlichkeit, die wir ja von unseren algorithmenba-
                                                                 sierenden Wischhandys so gut kennen, einmal beiseite.
                                                                 Versuchen wir tiefer zu blicken, hinein in die Intention
                                                                 und die Arbeit, die einem derartigen Projekt innenwoh-
                                                                 nen - vielleicht um auch einmal zu verdeutlichen, wie
                                              besonderene Pro-   sehr Kunst einen großen Wert für gesellschaftliches
                                              jekt.  Gemeinsam   Zusammenleben, Akzeptieren und Respektieren eines
                                              mit der Regisseu-  anderen Menschen, eines „Anders Sein“, hat.
                                              rin  Anita Lacken-  Gerade im Schulalltag orten wir eine immer größer
                                              berger  drehten  die   werdende Vielfalt an diversen Kulturen und jungen Men-
                                              Nordlichter  mit   schen aus unterschiedlichsten Ländern - das macht es
                                              Heidemarie Kneis-  natürlich nicht immer leicht. Da setzen die Lehrer-
        ... Zusammenarbeit wird großgeschrie-  sl „1945 ... trotzdem   Innen der NMS Viehofen an, mit Stunden, in denen ein
        ben, sämtliche Kostüme, Requisiten,   Kind“ einen 30-mi-  kreativer Geist weht, der zuerst keinerlei Vorbegabung
        Plakate, Einladungen werden von Schü-  nütigen, historischen   oder Talent fordert. Jede/r ist herzlich willkommen,
        lerInnen und LehrerInnen in den ver-  Schulfilm. Das Projekt   am Spiel auf der Bühne teilzunehmen. Es entsteht ein
        schiedensten Fächern entwickelt und   fand in Zusammenar-  buntes Team aus den unterschiedlichsen Altersgruppen
        selbst hergestellt.                 beit mit der NOEME-  und Herkunftsländern, das gemeinsam an einem künst-
                                            DIA statt.           lerischen Strang zieht. So werden scheinbar nebenbei
         Höhepunkte der letzten Jahre       ‚An sieben Drehta-   Kulturtechniken wie Toleranz, Miteinander, Respekt und
        Zu den Höhepunkten der Theatergrup-  gen arbeiteten unse-  Verantwortung gegenüber dem Anderen und der Grup-
        pe zählen zweifellos der erste Auftritt in   re  SchülerInnen  mit   pe erlernt. Natürlich bedarf dieser Akt einer Bereitschaft
        der Bühne im Hof 1994 mit der Eigen-  professionellen Film-  aller, aber im kreativen Prozess geht dies garantiert ein-
        produktion „Max, auf der Reise durch   leuten zusammen und   facher. Nicht das Schaffen von neuen Gesellschaftsghet-
        die Zeit“ und das erste Kindermusical   stellten Szenen von   tos ist angesagt, sondern die offene, ernstzunehmende
        in der Bühne im Hof inklusive Schwer-  den letzten Kriegsta-  und kreative Auseinandersetzung mit der Unterschied-
        punktgründung der Aktiv-Kreativ HS   gen 1945 in St.Pölten   lichkeit des Mensch-Seins - fern von deutsch-österreichi-
        Viehofen mit „B.T., der kleine Indianer“.  nach:  Sammeln  von   scher Heimattümelei. In der NMS Viehofen arbeitet man
        Später kam das Kulturhaus Wagram als   Kräutern  am  Schloss-  schon 30 Jahre gedeihlich daran.
        Aufführungsstätte im Rahmen der Fest-  berg und Kochen von
        spielwochen dazu. Mit Produktionen wie   Brennnesselspinat,
        „Mittelaltermania“,  „Müllhexe  Rosalie“,   Szenen im Luftschutzkeller, Schützengrä-  jugendlicher Hauptdarsteller und 12 ju-
        „Die kleine Hexe von Viehofen, „Der   ben am Schlossberg in Viehofen, Flucht,   gendliche Komparsen bei Lackenbergers
        ganz, ganz Wilde  Westen“  und „Frau   Angst, Schulalltag von damals”, erzählt   zweitem Spielfilm „Ein Wilder Sommer“
        sucht Bauer“ war man hier erfolgreich.  Kneissl, „die Präsentation erfolgte in der   vor der Kamera.
        Als absolutes Highlight gilt aber das Be-  Bühne im Hof. Unsere Gruppe hat auch   Ein besonderes Schmankerl wird die
        nefizmusical „Lili und das Geheimnis   für die sehr nachdenkliche und berüh-  diesjährige Jubiläumsproduktion „Wir
        der Schmetterlinge“ nach dem Buch von   rende  Umrahmung  mit  szenischen  und   führen uns auf” sein.  Dabei gibts an
        Franky Schirz unter der Regie von Heidi   gesanglichen Darbietungen gesorgt.”  mehreren Tagen ein Best of der letzten
        Kneissl, der Choreographie von Brigitte                                 30 Jahre zu sehen.
        Neulinger und der gesanglichen und tän-  In Film und auf der Bühne      Auch ein persönliches Resümee für
        zerischen Betreuung von Franky Schirz.   Immer wieder spielen auch SchülerInnen   Kneissl, die nach der Frage nach dem,
        Mehrere Auftritte in NÖ und viele aus-  bei Produktionen im Landestheater Nie-  wie es nun nach 30 Jahren Theaterarbeit
        verkaufte Aufführungen im Kulturhaus   derösterreich mit und auch bei Filmpro-  mit SchülerInnen weitergeht, gerne mit
        Wagram - alle Spenden ergingen als   duktionen mit dem Team um Anita La-  Charlie  Chaplin  antwortet:  „Das  Leben
        Reinerlös an die Forschungsstation der   ckenberger sind „Nordlichter” zu sehen.   ist ein Theaterstück ohne vorherige Pro-
        Schmetterlingskinder in Salzburg.   Etwa bei „Kreuz und Quer”-Produktio-  ben. Darum: singe, lache, tanze und liebe
        Im Gedenkjahr 2015 kam es zu einem   nen des ORF. Derzeit stehen gerade ein   ... und lebe jeden einzelnen Augenblick.”
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